EMBMV: Die dritte Geburt der Briefmarke
Cusco
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Die dritte Geburt der Briefmarke #8498
Wenn Sie auf Ihre Biographie zurückschauen, dann werden Sie jede Menge
Geburtstage finden. Der erste Schultag, der erste Ehe-Tag, der erste Tag bei der
Bundeswehr und der erste Tag mit dem Auto und dem Führerschein. Menschen feiern diese
Ereignisse auch mit der Familie. Weil das Leben und der Mensch ein sehr komplexer Vorgang
sind. Der Vorteil ist - es ist nie langweilig. Genau so wie die Philatelie Millionen
von Menschen begeistert seit Jahrhunderten, genau so vielfältig und bunt ist die Geschichte der
Philatelie und der Post. Wir hatten in dieser Reihe "Geschichte der Briefmarke"
schon dargestellt den ersten Geburtstag der Post: die Mächtigen wollen besser
kommandieren können. Die zweite Geburtsstunde der Briefmarke fand in
England statt. Rowland Hill verbesserte die Kommunikation des Einzelnen zu seinen
Mitmenschen, um soziale Probleme zu lösen. Und nun sehen wir schon, diese zwei Systeme
prallen aufeinander. Und deswegen kommen wir zur dritten Geburtsstunde der Post - der
Zusammenfassung von zwei unterschiedlichen Kommunikationssystemen der Post. Im Jahr 1840
wurde die Post bürokratisiert. Und das System gilt heute noch. Sie erkennen die
Parallelen zwischen Ihrer Biographie und der Biographie der Briefmarke. Im Prinzip haben wir
nun den ersten Schultag: es gibt Regeln und Geradesitzen. Was war passiert? Schweiz und
Brasilien kopierten das System von Sir Rowland Hill. Das andere System, Herrscher
engagiert sich Kuriere, hat sich nicht durchgesetzt. Sondern die geniale Idee vom
einheitlichen Tarif, der nur vom Gewicht abhängig ist, hat die Massen begeistert. Wer
sind denn die Massen? Natürlich die Briefträger und die Lehrer. Denn dadurch, dass
Sir Rowland Hill die Klassifikation erschaffen hat, also die Bürokratie für die
Briefmarke, muss der Kunde sich nicht mehr entscheiden. Es gibt keine Diskussion mit den
Postbeamten. Sie müssen ja verstehen, in einer Welt ohne Ordnung gewinnen die Starken
und die Schwachen verlieren. Und das mögen auch die Starken. Das italienische
Postsystem funktionierte darauf: wer viel Geld hat, hat viele Kuriere. Und das englische
System ist demokratisch aufgebaut: jeder zahlt das selbe Porto. Am 1. Mai 1840 wurde
in London diese Postreform beschlossen. Bis dahin hatte Sir Rowland Hill sein System,
auch theoretisch, perfektioniert. Noch heute können Sie an einen Postschalter gehen, 20
Briefe in alle Welt schicken, auch mit Schmuck oder Fotos oder Münzen, und Sie werden gerecht
abkassiert, wie die Menschen vor und hinter Ihnen in der Schlange. Und bereits im Jahre 1943
reisten die Schweizer in grossen Mengen nach England und studierten das Londoner
Kommunikationssystem. Und schon bald wurden in den Kantonen Zürich und Genf das
englische Postsystem übernommen. Interessanterweise lockten die Schweizer die
Brasilianer nach Europa. Und schon 1845 gab es die ersten englischen Postkonzepte in Rio de
Janeiro und ganz Brasilien. Damit Sie ein wenig in die Dimensionen schauen können:
Brasilien, weit weg, hat eine Briefmarke. Aber erst 10 Jahre später, genau im Jahr 1852,
hat Rom und Italien auch die Briefmarke übernommen. Interessant ist das, weil der Papst
noch viel mehr auf Post angewiesen ist wie jede andere Regierung. Denn der Papst muss auch
nach Brasilien schreiben. Er ist ja für die ganze Welt verantwortlich. Und nur
ein Kardinal in Rom hat es dann übernommen, die Briefmarke einzuführen. Warum hat
man sich in Rom 12 Jahre lang geweigert, auf Briefmarken umzusteigen? In Rom wurde darüber
gestritten, wer denn auf die Briefmarke draufkommt. Deswegen hat man sich nicht
geeinigt. Quergestellt hat sich vor allem Papst Pius IX. Er war Papst und wie sich das
auch liest, die Leute wollen den Papst auch sehen. Und nun hat sich der Papst quergestellt,
und hat sich geweigert, sein Wappen, oder sein Antlitz, zur Verfügung zu stellen. Wie
Sie vielleicht wissen, ist auf jeder Briefmarke von England die Königin zu sehen,
beziehungsweise der König. Auch heute noch, wenn in Asien oder sonstwo ein König
stirbt, werden alle Briefmarken und Münzen eingestampft, und auf den neuen Briefmarken kommt
das Bild vom neuen König, zum Beispiel vom Sohn. Warum hat sich Papst Pius IX.
geweigert sein Bild auf der Briefmarke darstellen zu lassen? Er fand sein Wappen zu
hässlich. Das päpstliche Wappen hatte damals wie auch heute die Schlüssel im
Bild. Nach Meinung von Papst Pius IX. wäre so ein Bild viel zu monoton und
dürfte den Leuten nicht zugemutet werden. Als Kompromiss hat man nach 12 Jahren bewusst
eine besonders hässliche und einfache Marke auf den Markt gebracht. Zu sehen sind auf
einem Bogen mit 25 Marken abgedruckte Stereotypen. 1867 wurden die Briefmarken
überarbeitet in Rom. Damit die Briefmarken nicht mehr so hässlich aussehen, hat man
nun die Wertangabe draufgedruckt, weil eine Zahl gibt dem Leser Halt. In unserem
Geschichtsbuch steht: schon 2 Jahre später wurde das eingestampft, und die Briefmarken waren
jetzt gezähnt auf Glanzpapier. Das sagt uns: Briefmarken wurden auf einmal
benutzt. Also hat die Briefmarke in Rom ihren Erfolgszug angetreten als man den Preis der
Marke draufdruckte. Und auch heute noch ist das DAS Kriterium. Wenn Sie von einer
Dauerserie 10-Pfennig-Briefmarken haben, dann lächelt jeder. Haben Sie aber von der
Serie die 2-DM-, und die 5-DM-Briefmarken, dann werden Sie aber bestaunt. Denn nun sieht das
Stück Papier aus wie eine Aktie. Und wie immer in unserer glamourösen Welt: wenn es
bunt wird, dann wird es gekauft und wird berühmt. Und in der nächsten Folge
beschäftigen wir uns mit der Frage wie den ein Brief eine Grenze überschreitet.
Denn die obigen Postsysteme in der Schweiz, in Brasilien, in England und in Rom haben nur eine
Aufgabe: innerhalb der Familie, innerhalb der Regierung sich zu informieren, innerhalb der legalen
Grenzen.
Quelle Mitglied @hbss
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